Kolumne

Rückspiegel
von Tobias Moser

Wer mit dem Auto unterwegs ist, tut gut daran, weit nach vorne zu schauen. Schliesslich fährt man auf die Situationen zu, die sich weiter vorne abspielen oder entwickeln. Aber auch den Blick in den Rückspiegel braucht es, um möglichst unbeschadet am Ziel anzukommen.
Im Leben ist es ähnlich: Vorausschauend planen und handeln bewahrt vor mancher Überraschung. Und der Blick in den Rückspiegel hilft, den Weg zu betrachten, den man bereits zurückgelegt hat. Wohin hat mich das Leben bisher gebracht? Wo wünsche ich eine Richtungsänderung?
Gerade im Gespräch mit älteren Menschen merke ich, wie wichtig der Rückspiegel ist. Wer sein Leben vom näherkommenden Ende her betrachtet, beurteilt es ganz anders, als wenn man noch ein halbes Leben vor sich hat. Es geht dann nicht mehr um grosse Pläne, die man noch verwirklichen möchte. Die Bewertung dessen, was einem lieb und wert ist, fällt anders aus, lebenserfahrener, tiefgründiger, demütiger. Oft geht es in solchen Gesprächen um persönliche Schicksale und wie man damit umgegangen ist. Es geht um die Gestaltung von Beziehungen, wie man selbst behandelt wurde und wie man mit anderen umgegangen
ist. Auch die Bibel leitet dazu an, unser Leben vom Ende her zu bedenken. Sie gibt den Rat, quasi vorausblickend in den Rückspiegel zu schauen. Was hoffe ich, im Rückblick einst sehen zu dürfen? Was sind mir Beziehungen wert, und wie gehe ich mit andern um? Die Psalmen leiten uns an, diesen vorausschauenden Rückblick vertrauensvoll und mit betendem Herzen zu gestalten.